Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine sind die europäischen Energiepreise im vergangenen Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen. Aufgrund von zwei Faktoren bleibt die Lage auf den europäischen Energiemärkten weiterhin angespannt. In diesem Blog erfahren Sie mehr darüber.
Der vergangene Winter war verhältnismäßig mild, zudem wurden in den EU-Mitgliedsstaaten diverse Energiesparmaßnahmen implementiert. Dadurch konnten die Auswirkungen des Ukraine Kriegs auf die Energiemärkte teilweise abgefedert werden. Trotz dieser Entwicklungen bleibt die Lage auf den Energiemärkten angespannt. Der Grund für die Anspannung ist die Abhängigkeit des europäischen Marktes von Gasimporten.
Warum ist die EU immer noch von Gasimporten abhängig?
Gas ist eine essenzielle Ressource für die europäische Industrie, viele Betriebe wären ohne dem Rohstoff nicht wettbewerbsfähig, da Alternativen wie Wasserstoff zu teuer sind. Zudem ist Gas für den Strommarkt entscheidend, mit Hilfe des Rohstoffs können Angebotslücken zu Spitzenverbrauchszeiten kompensiert werden. In den Wintermonaten macht die Stromerzeugung mit Gas rund 30% des gesamten Stromverbrauches in Österreich aus. Da erneuerbare Energiesysteme noch nicht ausreichend ausgebaut und vernetzt sind, wird man auch in diesem Bereich mittelfristig auf Gas angewiesen sein. Diese zurzeit benötigten Gasmengen können durch europäische Erdgasquellen nicht gedeckt werden. Das vergangene Jahr hat zudem gezeigt, dass, selbst wenn die Industrie ihre Aktivitäten erheblich einschränkt, diese Abhängigkeit weiterhin besteht.
Zwei Szenarien, welche die Energieknappheit auf den Märkten deutlich verstärken könnten
Aufgrund der Abhängigkeit von Gas-Importen, liegt die Entwicklung des europäischen Gaspreises nicht ausschließlich in der Hand der EU-Mitgliedsstaaten. Die Internationale Energieagentur präsentierte zwei Szenarien, welche die Energieknappheit auf den Märkten deutlich verstärken könnten:
- Die Chinesische Wirtschaft. Nicht nur die europäische Industrie, auch jene in China ist wesentlich von Gasimporten abhängig. Aufgrund von Einschränkungen durch die COVID Pandemie, war die Gasnachfrage durch die chinesische Industrie ungewöhnlich gering. Zu Beginn des Jahres lockerte Peking die strengen COVID Restriktionen, parallel dazu stieg die Aktivität der chinesischen Industrie. Chinas Nachfrage nach Flüssigerdgas könnte 2023 Prognosen zufolge zwischen 10%-35% steigen. Das Ausmaß des Anstiegs ist von entscheidender Bedeutung für die internationalen Gasmärkte, denn die gestiegene Nachfrage in China kann nicht durch erhöhte Produktionsmengen kompensiert werden, da es zurzeit keine Flüssiggasexporteure gibt, die ihr Angebot signifikant vergrößern können bzw. möchten. Eine hohe Nachfrage durch die chinesische Wirtschaft würde die Knappheit am Markt daher wesentlich verschärfen und die Gas- bzw. Energiepreise deutlich steigern. Erst in den Jahren 2024-2025 wird sich die Verfügbarkeitslage von Flüssiggas wesentlich verbessern, da in Nordamerika und Katar bis dahin neue Exportkapazitäten fertiggestellt werden.
- Das Ausbleiben russischer Gasexporte. In den vergangenen Monaten dominierten Schlagzeilen die Medien, welche von der gestiegenen europäischen Unabhängigkeit gegenüber russischem Gas berichteten. Tatsächlich gab es wesentliche Kraftanstrengungen durch die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten. Deutschland gelang es etwa, russische Gasimporte vollständig zu kompensieren. Trotz dieser Entwicklungen bleibt die Union von russischen Gasimporten mittelfristig abhängig. Seit Juli vergangenen Jahres hat sich der russische Anteil durch Pipelineimporte bei den insgesamten europäischen Gasimporten auf etwa 10% stabilisiert. Insbesondere Österreich importiert noch viel russisches Gas, im Februar kamen etwa fast 60% der heimischen Gasimporte aus russischen Pipelines. Erschwerend kommt auch noch hinzu, dass die EU-Mitgliedsstaaten gesunkene Pipeline-Transporte aus Russland unter anderem durch russische Flüssiggasimporte kompensiert haben. Im vergangenen Jahr sind Importe dieser Kategorie um 20% gestiegen (Importe entsprachen 2022 19.2 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas). Moskau kann daher weiterhin erheblichen Druck auf die europäischen Energiemärkte ausüben! Sollten die Pipeline- oder Flüssiggasexporte eingestellt werden, würden die Preise in Europa stark ansteigen.
Fazit
Trotz intensiver Bemühungen bleibt die Europäische Union und insbesondere Österreich von Gasimporten abhängig, selbst die Abhängigkeit von russischem Gas bleibt bestehen. Sollte der Energiemarkt durch weitere Faktoren stärker belastet werden, könnten die Marktpreise in diesem Jahr wieder wesentlich steigen.
Das Investmentbanking-Unternehmen Goldman Sachs prognostiziert, dass sich die derzeitigen Gaspreise, welche auf bis zu 36€ pro MW/h gefallen sind, in den kommenden Monaten verdreifachen könnten. Dies wäre eine signifikante Steigerung, jedoch erheblich weniger als im Herbst 2022, wo der Preis pro MW/h auf bis zu 280€ pro MW/h gestiegen ist.